Zur Arbeitslosigkeit im Kultur-/Kreativsektor, Nr. 03

„Denn sie wissen nicht, wie viele schon verschwunden sind“

Vorbemerkung: Der Kultur/Kreativsektor ist von der „Corona-Krise“ besonders betroffen – auch, weil seine Strukturen und Beschäftigungsformen in vielfacher Hinsicht atypisch sind. Als kleines Expertenteam wollen wir den Blick für diese Zusammenhänge schärfen und Öffentlichkeit, Politik und Medien zuverlässige Daten zur Verfügung stellen – Hinweise für eine realistische und effektivere Gestaltung der „Hilfsprogramme“.

In der Kultur- und Kreativwirtschaft wachsen nicht nur die Schwierigkeiten der Solo-Selbständigen und Unternehmen. Auch abhängig Beschäftigte verlieren zunehmend ihre Arbeitsplätze, da viele Unternehmen des Sektors keine Möglichkeit haben, ihre Beschäftigten zur Kurzarbeit anzumelden. Dies betrifft v.a. kleine Unternehmen, die sich mit Insolvenz befassen müssen. Der überwiegende Teil der Betroffenen arbeitete bis zu seiner Kündigung sogar in Vollzeit. Der entsprechende Anteil ist in den verschiedenen Branchen unterschiedlich hoch und bewegt sich zwischen rund 70 Prozent bei den darstellenden Künsten und knapp 90 Prozent bei der Softwareentwicklung.

Abb. 3.1: Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Kultur-/Kreativsektor in Deutschland,
Januar bis Juni 2020

Hinweise: Ausgewählte Berufe: Design, Softwareentwicklung, Werbung, Journalismus, darstellende Künste (Musik, Schauspiel, Film, etc.) 2020. Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnung Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln, Juli 2020

Seit dem Monat März steigt die Arbeitslosenzahl kontinuierlich – von 63.700 über 83.097 im Mai auf 85.661 im Juni. Wenn sich die wirtschaftliche Situation für die Betriebe nicht erheblich verbessert, wird sich der Trend fortsetzen. Um die (symbolische) Zahl von 100.000 Arbeitslosen zu erreichen, müssten nur noch bis zum Jahresende monatlich rund 2.000 weitere Stellen wegfallen. Ein durchaus realistisches Modell…

Um die Zahlen einordnen zu können, sei zum Vergleich der entsprechende Arbeitslosenbestand (Juni 2020) in anderen Branchen dokumentiert: bei den Maschinen- und Fahrzeugtechnikberufen (Berufsgruppe 25) lag er bei 88.500, in der Gastronomie (Berufsgruppe 633) bei 75.000, im Bereich „Erziehung, Sozialarbeit, Heilerziehungspflege“ (Berufsgruppe 831) bei 73.900. bei den medizinischen Gesundheitsberufen (Berufsgruppe 81)  bei 55.117.

Wesentlich schwerer trifft es Menschen in sogenannter geringfügiger Beschäftigung (oder kurz Minijob). Sie werden möglicherweise noch geräuschloser vom Arbeitsmarkt verschwinden. Allein im Werbemarkt gibt es knapp 100.000 Minijobber, im Pressemarkt noch einmal rund 78.000 (Angaben BMWI (2019). Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2019, Berlin), die wegrutschen könnten.

Aufs Ganze gesehen liegt die Arbeitslosenquote im Kultur-Kreativsektor schon jetzt überwiegend höher als in der Wirtschaft insgesamt.

Abb. 3.2: Arbeitslosenquote im Kultur-/Kreativsektor in Deutschland, Juni 2020 – Auswahlberufe

Hinweise: Ausgewählte Berufe: Design, Softwareentwicklung, Werbung, Journalismus, Darstellende Künste. Der Begriff Kultur-/Kreativsektor umfasst neben der Kultur- und Kreativwirtschaft auch Beschäftigte im öffentlichen/gemeinnützigen Kulturbetrieb, hier v.a. in der Berufsgruppe Musik/Theater u.ä. enthalten. Berechnung der Arbeitslosenquote der Kultur-/Kreativberufe = Anteil des Arbeitslosenbestandes im Juni 2020 im Verhältnis zum Bestand der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im September 2019 (derzeit aktuellster Stand). Gesamt-Arbeitslosigkeit 6,2% = 2,85 Millionen Personen, Pressemittelung Bundesagentur vom 1.7.2020. Quelle: Bundesagentur für Arbeit; eigene Berechnung Michael Söndermann/Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln, Juli 2020

Die bisher aufgeführten Zahlen weisen einmal mehr auf die atypischen Rahmenbedingungen in der Kultur/Kreativwirtschaft hin. In der nächsten Ausgabe werfen wir einen Blick auf die Einkommenslage der Künstler/innen und Kreativen.

Für das Expertenteam,
Michael Söndermann, Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln

Hintergrundinformation:
Künstlerische und kreative Berufe in der Coronakrise 2020, Nr.01
https://kulturwirtschaft.de/kuenstlerische-und-kreative-berufe-in-der-coronakrise-2020/

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