„Denn sie wissen nicht, wer was verdient“
Zunächst ein Hinweis: Akteure im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft werden in der Öffentlichkeit gerne als Zuschuss- oder Subventionsempfänger wahrgenommen. Ein weitverbreiteter Irrtum. Tatsächlich geht es hier um hardcore business.
Von der „Corona-Krise“ besonders betroffen sind Solo-Selbstständige und kleine Unternehmen. Nach der europäischen Definition der KMU (Kleine und mittelständische Unternehmen) können Freiberufler und Solo-Selbständige ohne Mitarbeiter, Kleinstunternehmer mit bis zu neun Beschäftigten und Kleinunternehmen mit bis zu 49 Beschäftigten zur kleinen Kultur- und Kreativwirtschaft gezählt werden.
Eckdaten zur kleinen Kultur- und Kreativwirtschaft | Umsatz | |
2018/2019* | Mrd. € | Anteil |
Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt** | 168,3 | 100% |
__darunter kleine Kultur- und Kreativwirtschaft* | 81,4 | 48% |
____darunter Solo-Selbständige* | 19,4 | 12% |
____darunter Kleinstunternehmen* | 27,7 | 16% |
Im Jahr 2019 setzte die kleine Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland geschätzt rund 81,4 Milliarden Euro um. Aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWI) entspricht das fast der Hälfte (48%) des Umsatzes der Kultur- und Kreativwirtschaft insgesamt. Der lag nach Angaben des Ministeriums ein Jahr zuvor bei rund 168,3 Milliarden Euro.
Die Solo-Selbständigen haben rund 19,4 Milliarden Euro, die Kleinstunternehmen rund 27,7 Milliarden Euro schätzungsweise im Jahr 2019 erwirtschaftet.
Aus diesen Angaben folgt: pro Monat erreichten die Solo-Selbständigen insgesamt einen Umsatz von durchschnittlich 1,6 Milliarden Euro*. Ihre Betriebskosten lagen dabei nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Durchschnitt bei rund 5% dieser Summe.
Bei Kleinstunternehmen lag der monatliche Umsatz bei rund 2,3 Milliarden Euro. Darin enthalten sind wiederum Betriebskosten von rund 5%. Hinzu kommen Personalkosten von rund 17%.
Abb.: Das Existenz- u. Geschäftsmodell der kleinen Kultur-und Kreativwirtschaft in Milliarden €
Vor dem Hintergrund dieser „Unternehmensstrukturen“ konzentrieren sich die „Rettungsprogramme“ des BMWI – wider besseren Wissens? – auf die sog. „laufenden Betriebskosten“. Dazu gehören gewerbliche Mieten, Pachten, Kredite für Betriebsräume und Leasingaufwendungen. Derlei wird für drei Monate erstattet. Personalkosten werden nicht berücksichtigt.
Ein Ausgleich für das eingebrochene „Unternehmergehalt“ ist ebenfalls nicht vorgesehen. Dieser „Kostenfaktor“ wird stattdessen unter „privater Lebenshaltung“ einsortiert und entsprechend konsequent einer sog. „Grundsicherung“ zugeordnet. O-Ton BMWI: „Damit auch insofern die Existenz von kleinen Unternehmen, Freiberuflern und Soloselbständigen nicht bedroht ist, wird der Zugang zu Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II), insbesondere dem Arbeitslosengeld II, vereinfacht.“ (Quelle: BMWI, Kurzfakten zum Corona-Soforthilfe-Programm des Bundes, Stand: 30. März 2020, abgerufen 6. Juni 2020).
Angesichts der vom BMWI selbst analysierten Unternehmens- und der damit verbundenen Kostenstrukturen geben diese Hinweise eine Reihe von Rätseln auf. So stellt das Sozialgesetzbuch etwa auf private „Lebensgemeinschaften“ ab und konstruiert daraus gegenseitige Verpflichtungen in Fragen des Lebensunterhalts. Die Folgen der „Corona-Krise“ lassen sich aber kaum in diese Schablone pressen. Es geht um einen Business-Lockdown oder anders ausgedrückt, um das (vorübergehende, staatlich verordnete) Ende von geschäftlichen Aktivitäten. Davon sind natürlich private Lebensgemeinschaften betroffen, vor allem aber geschäftliche und berufliche Perspektiven. Sinnvoll wäre deshalb eine Prüfung, ob die bestehenden „Vorschriften“ der aktuellen Situation tatsächlich angemessen sind und ob hier nicht andere Regelungen notwendig sind.
Der Rückzug auf bestehende Hartz-IV Regelungen ist bequem, alles andere wäre eine politische Herausforderung, der man sich stellen müsste. Doch absehbar will das niemand. Nicht nur deshalb empfehlen kundige (Steuer-)Berater, denen solche von BMWI und anderen empfohlene Existenzmodelle vertraut sind, den Betroffenen dringend, die sog. Grundsicherung zu meiden.
Zurück zu den Zahlen. Seit Mitte März 2020 hat die „Corona-Krise“ in vielen Branchen der Volkswirtschaft zu einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch geführt. Die amtliche Statistik gibt hier bislang nur wenige Hinweise, weil sie ihre Daten erst zeitverzögert vorlegt. Unabhängig davon können wir einige Thesen formulieren. Die Folgen der „Corona-Krise“ dürften vor allem die Solo-Selbständigen treffen, egal ob ihr Jahresumsatz diesseits oder jenseits der einkommenspolitischen Grenze von 17.500 Euro liegt. Das betrifft freilich nicht nur die „kleine Kultur- und Kreativwirtschaft“, sondern auch andere Branchen. In der Volkswirtschaft insgesamt werden rund 50% aller Unternehmer*innen als Solo-Selbständige, 40% als Kleinstunternehmer*innen und 9% als Kleinunternehmer*innen einsortiert. Dieser als atypisch definierter Sektor der „kleinen Volkswirtschaft“ umfasst mittlerweile über 13,5 Millionen Menschen (1,7 Mio. Solo-Selbständige, 1,4 Mio. Kleinstunternehmer mit 4,1 Mio. Beschäftigten und 290.000 Kleinunternehmen mit 6 Mio. Beschäftigten), deren Einkommen im Zuge der „Corona-Krise“ auf dem „Prüfstand“ steht.
Nachbemerkung: Pandemie und statistische Ergebnisse
Die Corona-Krise fordert aktuell die gesamte Gesellschaft. Um die Auswirkungen realistisch bewerten zu können, benötigt die Öffentlichkeit, insbesondere die Politik und die Medien, auch unter diesen schwierigen Umständen verlässliche Daten. Unsere Angaben basieren auf den aktuell vorhandenen amtlichen Datenbeständen.
Für das Expertenteam,
Michael Söndermann, Büro für Kulturwirtschaftsforschung, Köln
Hintergrundinformation:
Künstlerische und kreative Berufe in der Coronakrise 2020 Nr.01
https://kulturwirtschaft.de/kuenstlerische-und-kreative-berufe-in-der-coronakrise-2020/